Döblin, Alfred: Die Geschichte vom Franz Biberkopf

Döblin, Alfred: Die Geschichte vom Franz Biberkopf

Hörspiel nach dem Roman "Berlin Alexanderplatz". Hrsg. u. Nachw.: Schwitzke, Heinz. 68 S.
ISBN: 978-3-15-009810-3
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1930, ein Jahr nach dem Erscheinen von Berlin Alexanderplatz, verfaßte Döblin dieses Hörspiel nach Motiven seines Romans. Aber erst bei der Wiederentdeckung im Jahre 1962 erkannte man es als einen Meilenstein der Rundfunkgeschichte: kühne Montagen, milieugenau zupackende Sprache und prägnante Charakterzeichnung.
Alfred Döblin, 10. 8. 1878 Stettin – 26. 6. 1957 Emmendingen bei Freiburg i. Br.
Als D.s Vater 1888 die Familie verließ, musste D. das Gymnasium aufgeben. Die Mutter zog mit den Kindern nach Berlin. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen; erst 1891 konnte D. seine Ausbildung fortsetzen und 1900 ein verspätetes Abitur machen. Von 1900 bis 1904 studierte er Medizin in Berlin, ging dann nach Freiburg und spezialisierte sich auf Neurologie und Psychiatrie (Dr. med. 1905 mit einer Arbeit über Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose). Nach einem Jahr als Assistenzarzt in der Kreisirrenanstalt Prüll bei Regensburg arbeitete er ab Oktober 1906 in verschiedenen Berliner Krankenhäusern, bis er 1911 in Berlin eine eigene Kassenpraxis eröffnete. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig und wurde als Militärarzt eingesetzt. Nach seiner Rückkehr im November 1918 sympathisierte er mit der Räterepublik – er hatte bereits 1917 die Russische Revolution begrüßt –, begann wieder zu praktizieren (bis 1933) und engagierte sich politisch bei der USPD und dann bei der SPD. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand Ende Februar 1933 verließ D. Berlin, ging zunächst in die Schweiz und dann im November 1933 nach Paris. Er erhielt 1936 die frz. Staatsbürgerschaft, engagierte sich vorübergehend für die zionistische »Freilandbewegung« – D. war jüdischer Herkunft – und arbeitete 1939–40 für das frz. Informationsministerium unter Jean Giraudoux. Im Juni 1940 floh er über Spanien und Portugal in die USA (geschildert in dem Buch Schicksalsreise) und ließ sich in Hollywood nieder. Hier lebte er von Arbeitslosenunterstützung und Spenden; seine Konversion zum Katholizismus 1941 trug zu seiner Isolation unter den Exilschriftstellern bei. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete für die frz. Militärregierung als Zensor und Zeitschriftenherausgeber. 1953 siedelte er wieder, verbittert und enttäuscht, nach Paris über. Die ersten Früchte der Bemühungen um die Wiederentdeckung seines Werkes und den Erfolg seines letzten Romans konnte D. noch erleben. D. schrieb zahlreiche literarische und theoretische Beiträge für die von seinem Freund H. Walden 1910 gegründete expressionistische Zeitschrift Der Sturm und erwies sich mit seinem Sammelband früher Erzählungen Die Ermordung der Butterblume und dem Roman Die drei Sprünge des Wang-lun als einer der bedeutendsten Erzähler des Expressionismus. Charakteristisch sind neben dem Verzicht auf einfühlende Psychologie die Erzählerdistanz, das Tempo, ein neutral beobachtender ›Kinostil‹. Hier beginnt auch unter dem Einfluss des Futurismus eine Form des parataktischen Erzählens, die die Darstellung simultaner Vorgänge (Großstadt, Massenphänomene) ermöglichen sollte. Dem entspricht die Forderung einer »Wiedergeburt« des Romans »als Kunstwerk und modernes Epos« (An Romanautoren und ihre Kritiker, 1913), der er in den großen Geschichtsromanen Wang-lun und Wallenstein, dem mythisierenden negativen Zukunftsroman Berge Meere und Giganten und später in dem ›Amazonas‹-Roman Das Land ohne Tod und der Darstellung der dt. Novemberrevolution gerecht zu werden suchte. Modifiziert ist das Konzept in D.s bekanntestem und erfolgreichstem Werk Berlin Alexanderplatz. Hier gibt es noch einen Helden, eine Romanhandlung (hinter der – ironisch gebrochen – das Bildungsromanschema steht) und einen moralisierenden und kommentierenden Erzähler, der den Kampf des Individuums Franz Biberkopf gegen die Übermacht anonymer Kräfte im Pandämonium Berlin begleitet. Zugleich zeigen die verwendeten poetischen Verfahrensweisen wie innerer Monolog, erlebte Rede, Montage und Collage, Schnitttechnik, mythische und biblische Anspielungen seine Nähe zur modernen Romankunst (James Joyce, John Dos Passos). Mit seinem letzten, 1945–46 entstandenen Hamlet-Roman verlagert sich, Ausdruck auch der neuen katholischen Weltsicht, das Interesse auf die individuelle Heilsthematik; er zeigt am Beispiel eines verkrüppelten Kriegsheimkehrers im Rahmen einer dunklen Familienkonstellation den Prozess psychischer Heilung durch Geschichtenerzählen.

In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (UB 17664.) – © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.