Friedrich Dürrenmatt, 15. 1. 1921 Konolfingen bei Bern – 14. 12. 1990 Neuchâtel.
Nach dem Abitur 1941 in Bern studierte der Pfarrerssohn Philosophie, Literatur und Naturwissenschaften in Zürich und Bern, brach aber das Studium nach zehn Semestern ab und begann zu schreiben und zu malen bzw. zu zeichnen. Von 1946 bis 1948 lebte er in Basel, dann in Ligerz am Bielersee und seit 1952 in Neuchâtel. Aus den anfänglichen finanziellen Schwierigkeiten verhalfen ihm Kriminalromane und Hörspiele, bis dann die großen Theatererfolge einsetzten. 1968–69 leitete er zusammen mit Werner Düggelin das Basler Theater, ein Versuch, der im Streit scheiterte. 1986 erhielt er den Georg-Büchner-Preis. Nach seinem ersten Stück, dem Wiedertäuferdrama
Es steht geschrieben (UA 1947), fand D. mit
Romulus der Große (UA 1949) zu der ihm gemäßen dramatischen Form, der Komödie. Aus dem heutigen Weltzustand, der durch Vermassung, Bürokratisierung, undurchsichtige Machtstrukturen, ungeklärte Verantwortlichkeiten den Charakter eines verwirrenden Labyrinths angenommen habe, in dem sich der Mensch unweigerlich verirre, sei allein die Komödie in der Lage, die notwendige Distanz zu vermitteln: »Uns kommt nur noch die Komödie bei«, resümierte er in den
Theaterproblemen von 1954. Gezeigt wird eine groteske Welt – in manchen Stücken (
Die Physiker,
Achterloo) erscheint sie ausdrücklich als Irrenhaus –, auf die das Theater mit den Mitteln der Groteske antwortet, sie aber nicht verändern kann. Diese Sicht der Dinge bestimmt, mit zunehmend bitter werdendem Gelächter, die grotesken Komödien von
Romulus über den Welterfolg
Der Besuch der alten Dame zu der Darstellung der Weltgeschichte als Amoklauf, Schlachthaus oder Irrenanstalt und der Macht als grundsätzlich krimineller Veranstaltung in den
Physikern, den Shakespeare-Bearbeitungen und den späten Stücken. Eine Geschichte sei erst dann zu Ende gedacht, beschrieb D. sein dramatisches Verfahren, »wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat«. Er verstand sich durchaus als Moralist, der durch seine dramatisch-spielerischen Gegenentwürfe zur Realität dazu beizutragen suchte, im Menschen das Bewusstsein seiner Freiheit zu wecken, wobei diese Freiheit sich nicht zuletzt – das zeigen auch die Stücke selbst – im Scheitern verwirklicht. Fragen von Recht und Gerechtigkeit spielen dabei immer wieder eine Rolle, auch in den Kriminalromanen, mit denen D. dem Genre eine eigene, die übliche Fortschrittsgläubigkeit unterlaufende Note gibt.
In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (
UB 17664.) – © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.