Heinrich Wilhelm von Gerstenberg, 3. 1. 1737 Tondern (Schleswig) – 1. 11. 1823 Altona.
Der Sohn eines Offiziers in dän. Diensten studierte von 1757 an Jura in Jena, widmete sich jedoch zugleich seinen literarischen und kritischen Interessen. Nach Abbruch seines Studiums trat er 1760 in den dän. Militärdienst, brachte es bis zum Rittmeister und verkehrte in Kopenhagen mit den dt. Literaten um Minister Bernstorff und Klopstock. 1771 trat er hoch verschuldet in den Zivildienst über, 1775 wurde er dän. Gesandter in Lübeck. 1783 musste er das Amt verkaufen und erhielt schließlich eine Stelle als Justizdirektor beim Lotto in Altona, die er bis 1812 innehatte. G. verfasste anakreontische Lyrik, die auch auf den jungen Goethe wirkte, Prosaidyllen in der Nachfolge S. Gessners sowie Kriegslieder in der Manier J. W. L. Gleims. Über die übliche Thematik ging er mit seinem
Gedicht eines Skalden hinaus und regte damit u. a. die so genannte Bardendichtung an. G.s folgenreichster, auf den Sturm und Drang vorausweisender Beitrag zur Literatur war seine Neubewertung Shakespeares, die auf dessen Charakterdarstellung abzielt, und die Diskussion des Geniebegriffs. Seine Shakespeareauffassung steht auch hinter dem Drama
Ugolino, das bei strengem formalem Klassizismus in einem naturalistischen Seelengemälde menschliches Verhalten in einer Extremsituation darstellt.
In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (
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