: Filmgenres: Kriegsfilm

Filmgenres: Kriegsfilm

Hrsg.: Klein, Thomas; Stiglegger, Marcus; Traber, Bodo
379 S. 20 Abb.
ISBN: 978-3-15-018411-0
9,00 €

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Darf man sich mit Kriegsfilmen beschäftigen? Oder nur mit solchen die – was häufig ziemlich verlogen wirkt – das Etikett "Antikriegsfilm" vor sich hertragen? Oder trägt der Kriegsfilm, der gleichzeitig mit dem modernen Krieg entstand, nicht dieselbe Signatur der Entmenschlichung wie dieser, sodass die Darstellung des modernen Kriegs gar nicht als Antikriegsfilm verbrämt zu werden braucht? Von dieser Prämisse geht der Band aus, der das Genre kritisch ernst nimmt, in dem sich so unbestritten bedeutsame Werke finden wie "Im Westen nichts neues", "Die große Illusion", "Wege zum Ruhm", "Die Brücke", "Apocalypse Now", "Der schmale Grat" u.v.a.
Einleitung

The Battle of the Somme - Die große Parade - Das Ende von Sankt Petersburg - Im Westen nichts Neues - Westfront 1918 - Vier von der Infanterie – Morgenrot - Die große Illusion - Der Held von Burma - Schlachtgewitter am Monte Cassino - Schnellboote vor Bataan - Todeskommando / Du warst unser Kamerad / Iwo Jima, die große Schlacht - Rommel, der Wüstenfuchs - Die letzte Brücke - 08/15 - Ardennen 1944 - Die Brücke am Kwai - Tag ohne Ende - Wege zum Ruhm - Wenn die Kraniche ziehen - Hunde, wollt ihr ewig leben - Die jungen Löwen - Die Ballade vom Soldaten - Barfuß durch die Hölle / Die Straße zur Ewigkeit / Und dann kam das Ende - Nobi / Feuer im Grasland - Durchbruch auf Befehl - Iwans Kindheit - Der längste Tag - Lawrence von Arabien - Die Abenteuer des Werner Holt - Die Schlacht um Algier - Ich war neunzehn - Wie ich den Krieg gewann - Die Hölle sind wir - Luftschlacht um England - M*A*S*H - Tora! Tora! Tora! - Catch 22 / Catch 22 - Der böse Trick - o.k. - Johnny zieht in den Krieg - Die Brücke von Arnheim - Steiner - Das Eiserne Kreuz - Die durch die Hölle gehen -Apocalypse Now / Apocalypse Now Redux - The Big Red One (Die unbesiegbare Erste) - Das Boot - Gallipoli / Gallipoli - An die Hölle verraten - Under Fire - The Killing Fields - Schreiendes Land - Komm und sieh / Geh und sieh - Platoon – Full Metal Jacket - Hope and Glory (Hoffnung und Ruhm / Der Krieg der Kinder) - Winterkrieg - Land and Freedom – Underground - Gefangen im Kaukasus - Der Soldat James Ryan - Der schmale Grat - Kippur / Am Tag von Kippur - Black Hawk Down - No Man's Land - Mathilde - Eine große Liebe - Brotherhood - Wenn Brüder aufeinander schießen
Das Boot
BRD 1981 f 149 min R: Wolfgang Petersen
B: Wolfgang Petersen, nach dem gleichnamigen Roman von Lothar-Günther Buchheim
K: Jost Vacano
M: Klaus Doldinger
D: Jürgen Prochnow (Kapitänleutnant Lehmann), Herbert Grönemeyer (Leutnant Werner), Klaus Wennemann (Leitender Ingenieur), Hubertus Bengsch (Erster Wachoffizier), Martin Semmelrogge (Zweiter Wachoffizier), Heinz Hoenig (Hinrich), Uwe Ochsenknecht (Bootsmann), Claude-Oliver Rudolph (Ario), Ralf Richter (Frenssen)

Kann man U-Boot-Filme als eigenes Genre definieren? Andrew Tudor sagt: Ein Genre ist das, was wir dafür halten. U-Boot-Filme ließen sich allerdings einzig definieren darüber, dass sie auf U-Booten und meist unter Wasser spielen. Das und das äußerst kleine Korpus dieser Gruppe von Filmen lassen den Begriff "Genre" als zu weit greifend erscheinen. Man mag sie als Subgenre des Kriegsfilmes verstehen, denn nahezu immer sind es Kriegsfilme, was daran liegt, dass es nur äußerst wenige zivile U-Boote gibt und noch weniger Filme darüber. Diese ließen sich vielleicht mit Filmen wie The Abyss (Abyss - Abgrund des Todes, 1989) zu einer Gruppe von Unterwasserfilmen zusammenfassen.
Dennoch haben U-Boot-Filme bestimmte Invariablen, die sie auszeichnen: die Isolation von der Außenwelt vor allem, die den Entscheidungsdruck des/der Helden geradezu multipliziert. Ebenso verschärfend ist der Druck durch die Situation, im U-Boot-Film oft allegorisiert durch den enormen Wasserdruck. Es stehen bei jeder Entscheidung Menschenleben auf dem Spiel, und es sind selten diejenigen der Entscheidungsträger. Neben den reinen Kriegs- und Taktikentscheidungen zählen dazu auch seit Anfang der sechziger Jahre die Probleme der Kernkraft bei Atom-U-Booten. Als weitere Folge der Isolation verschärfen sich auch die menschlichen Konflikte, insbesondere zwischen Kapitän und Erstem Offizier.
Das Korpus von rund 25 Filmen, die sich finden ließen, variiert und/oder verbindet diese Motive miteinander. Auffällig ist, dass bis 1959 mit zehn Filmen fast die Hälfte des Korpus aus der Nachkriegszeit stammt und sich besonders mit Japan befasst. Erst seit 1990 setzte langsam wieder eine Welle von U-Boot-Filmen ein, die sich inzwischen alle mehr oder weniger mit den Problemen der Atomantriebe und -raketen befassen. Daneben gab und gibt es Genre-Mischungen mit der Komödie (Operation Petticoat / Unternehmen Petticoat, 1959) und dem Horrorfilm (Below, 2002); und eigentlich ist The Hunt for Red October (Jagd auf Roter Oktober, 1990) auch eher ein Agententhriller. Was sich überhaupt über die zweite Welle von U-Boot-Filmen sagen lässt: Es sind keine Kriegsfilme, vielmehr sind es Filme über die Verhinderung von Kriegen, verschärft unter dem Gesichtspunkt, dass ein Krieg im Atomzeitalter nicht mehr gewinnbar wäre.
Das Boot hat viel mehr Ähnlichkeit mit den Filmen der fünfziger Jahre, und nicht nur, weil der Film im Zweiten Weltkrieg spielt: 1943 fährt ein deutsches U-Boot auf Patrouillenfahrt in den Atlantik, an Bord den Kriegsberichterstatter Lothar-Günther Buchheim. Dessen Erlebnisse, zunächst dokumentiert in einem Roman und bearbeitet als Drehbuch, beschreibt Wolfgang Petersens erster international rezipierter Kinofilm.
Der Film beginnt an Land, in der Nacht vor der Ausfahrt. Nahezu alle sind betrunken und feiern ein letztes Mal. Nur der "Kaleu" (Kapitänleutnant) hängt schweren Gedanken an eine "gute alte Zeit" nach, die er seinem Freund, Kapitän Thomsen, erzählt. Am nächsten Morgen beginnt ihr Auftrag, Patrouillenfahrt im Atlantik, mit einer gloriosen Ausfahrt unter Begleitung einer Musikkapelle und einer winkenden Bevölkerung. Auch an Bord ist die Stimmung noch gelöst. Die Beschwerden über die Enge und die voll gestellten Gänge sind in ihrem Ton fast freundschaftlich.
Doch dann beginnt der Wahnsinn. Lange Zeit kreuzen sie ohne Feindkontakt durch den Atlantik, die Langeweile bedroht die Moral, die mangelnde Hygiene die Gesundheit. Dann überschlagen sich die Ereignisse, als sie ein Handelsschiff angreifen wollen und von einem Zerstörer überrascht werden, dem sie nur in die Tiefe entfliehen können. Sie geraten in einen Sturm und verlieren fast einen Mann. Ein weiterer Angriff auf einen großen Geleitzug gelingt, doch wieder müssen sie dem mörderischen und wütenden Gegenschlag der Wasserbomben werfenden Zerstörer entfliehen. Als sie dann zum Geleitzug zurückkehren, um den angeschlagenen Tanker zu versenken, müssen sie entsetzt feststellen, dass der Gegner die Besatzung nicht evakuiert hat. Trotz des grauenhaften Anblicks von brennenden Seeleuten, die sich ins Meer werfen und auf sie zuschwimmen, nehmen sie niemanden an Bord - aus Platzgründen. Gebannten Blickes fahren sie rückwärts davon. Auch diese Versenkung ist kein Sieg, zu hoch war der Preis, auch dieses Ereignis lastet schwer auf den Männern.
Von den Zerstörer-Angriffen beschädigt, soll das Boot eigentlich in die Heimat zurückfahren, doch dann kommt ein neuer Funkspruch: Versorgung aufnehmen in Spanien, dann neuer Heimathafen im Mittelmeer - durch die Meerenge von Gibraltar, die von den Engländern kontrolliert wird: "Das ist wie mit einer Jungfrau: Um da durchzukommen, müssen wir unseren Kahn mit Vaseline einschmieren", fasst es typisch derb einer der Matrosen zusammen. Der Plan des Kaleu ist kühn und könnte gelingen, doch ein Flugzeug macht sie aus, trifft sie, und schwer beschädigt sackt das Boot bei 280 Metern auf den Grund. Die Werksgarantie, so wissen wir längst, liegt bei 90 Metern. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, umfangreiche Reparaturen müssen erledigt werden, bevor die Luft ausgeht, und es bleibt nur ein Versuch zum Auftauchen. Doch es gelingt. Man entscheidet sich für den alten Heimathafen, wo man Tage später versehrt, doch am Leben einläuft - wieder bei Marschmusik, wieder unter den Willkommensgrüßen der Bevölkerung. Doch U 96 hat kein Glück. Bevor das Boot in den Bunker fährt, erfolgt ein überraschender Luftangriff der Alliierten, der die halbe Besatzung tötet oder verwundet und das Boot im Hafen liegend unter den Blicken des sterbenden Kaleu versenkt.
Der Kinofilm war von Anfang an als eine von zwei Versionen gedacht, denn parallel zur Kinoversion wurde eine fast fünf Stunden lange, in sechs Folgen geplante Fernseh-Version erstellt. 1999 erschien eine 208 Minuten lange Director's-Cut-Fassung, die der Qualität der TV-Fassung näherkommt. Doch bereits die erste Kinofassung begründete den Weltruhm, den der Regisseur Petersen, der Kameramann Jost Vacano und viele Schauspieler in der Folgezeit errangen.
Bei der Uraufführung des Films in den USA, die in einem mit 1500 Menschen besetzten Kino in Los Angeles stattfand, gab es großen Applaus, schon bevor die Handlung startete: Eine Texttafel verkündet am Anfang des Films, dass von den 40000 deutschen U-BoGt-Fahrern nur 10000 zurückkehrten. Nach der Vorstellung hatte sich diese vermutlich antifaschistisch gemeinte Anti-Deutschen-Haltung umgekehrt, und der Film wurde frenetisch gefeiert - so steht es in Chroniken. Und man mag es gern glauben. In eindrucksvollen Bildern erzählt der Film vom Schicksal der U-Boot-Besatzungen, von der Unerträglichkeit der Langeweile, der Panik während der mörderischen Wasserbombenangriffe, der Beklemmung beim Tauchen, der schieren Angst ums Überleben. Kein U-Boot-Film zuvor zeigt so eindrücklich die Kälte und Tödlichkeit des Wassers. Während die U-Boot-Filme der fünfziger Jahre bei Außenaufnahmen des tauchenden Bootes immer noch in einer High-Key-Ausleuchtung das Boot über den Grund fahrend zeigten, so hell, dass man das Gezeigte als Modell im Swimmingpool erkennen konnte, ist bereits das Eingangsbild von Das Boot geradezu emblematisch: im gräulich-grünen, trüben Wasser schiebt sich etwas Dunkles, Bedrohliches heran, das erst wenige Meter entfernt als der Bug eines U-Boots zu erkennen ist - begleitet von Klaus Doldingers düster-elektronischer Musik. Konsequent verzichtet der Film in nahezu allen Szenen auf Außen-Bilder, um diese bedrohliche Dunkelheit des Wassers nicht zu mildern. Nur wenige Male sehen wir den schwarzen Rumpf im trüben und dunklen Wasser als Silhouette an uns vorbei sinken, nie vorwärts fahrend, nur abwärts, und am Ende einmal aufwärts treibend.
In der Überzeichnung, mit der ein überzeugter Nazi-Offizier an Bord gezeigt und bloßgestellt wird, kann man dem Film vorwerfen, er stricke mit am Mythos des nichtnationalsozialistischen Militärs: bloße Befehlsempfänger mit soldatischem Ehrgefühl. Hier scheint es nicht wichtig, welcher Nationalität die Seeleute sind, sie alle wollen nur überleben. Und besonders die Rolle des ewig nachdenklichen Kaleu, der so oft die Sinnfrage stellt und an die gute alte Zeit denkt, als alles noch besser (nämlich nicht nazistisch) war, scheint das Bild der hier gezeigten Deutschen positiv zu beeinflussen. Dabei hatte es das schon einmal gegeben: In The Enemy Below / Duell im Atlantik (1957) spielt Curd Jürgens einen deutschen U-Boot-Kapitän im Zweiten Weltkrieg, der am Ende Robert Mitchum die Hand geben darf als ehrenhafter, gleichwertiger Gegner, nachdem er den gesamten Film über bereits die Zeiten und Sitten beklagt hat. Umso interessanter ist in Das Boot die Figur des Kriegsberichterstatters Leutnant Werner (das Alter Ego Lothar-Günther Buchheims), der anfangs von allen für einen überzeugten Nazi gehalten wird, dies aber weder bestätigt noch sich deutlich davon abgrenzt, dennoch zunehmend von den anderen Offizieren und der Mannschaft akzeptiert wird.
Zumindest, und das ist ein Verdienst, gelingt es Petersens Film Das Boot, die Schrecken der Unterwasserfahrt, das Grauen des Todes und die Sinnlosigkeit von Kriegen weniger im Versagen der Technik als vielmehr in den Gesichtern der hervorragenden Schauspieler zu zeigen. Bewegend sind nicht die platzenden Nieten oder eindringendes Wasser - beides notwendige Standardelemente -, sondern die nur im Vorbeihuschen eines Taschenlampenstrahls aufscheinenden weinenden oder betenden, zur Fratze verzerrten oder blutenden Gesichter, die dem Film seinen Ausdruck verleihen.
Theo Bender

Literatur: Lothar-Günther Buchheim: Das Boot. München 1976 (Vorlage), - Lothar-Günther Buchheim: Der Film Das Boot. Sonderausgabe. Ein Journal. München 1985. - Wolfgang Petersen mit Ulrich Greiwe: Ich liebe die großen Geschichten - Vom "Tatort" bis nach Hollywood. Köln 1997. - Knut Hickethier: Das Boot. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Filmklassiker. Beschreibungen und Kommentare. Bd. 3. Stuttgart 2006.