Heinrich Heine – eine Doppelexistenz zwischen Kunst und Politik

Heinrich (eigentlich Harry) Heine (1797–1856) gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Vormärzliteratur und war zugleich der letzte Dichter und Überwinder der Romantik. Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre er in dessen kaufmännische Fußstapfen getreten. Nach einer Lehre in der Bank seines Hamburger Onkels scheitert Heine bei dem Versuch, ein eigenes Tuchwarengeschäft zu führen. Auch nach der Promotion in Jura gelingt es ihm nicht, eine geeignete Anstellung zu finden. Trotz seiner Konversion zum Protestantismus ist er aufgrund seiner jüdischen Herkunft ständigen Anfeindungen ausgesetzt, so dass er 1831 nach Paris auswandert. Dort kann er schließlich in seinem selbstgewählten Beruf als Dichter, Schriftsteller, Essayist und Journalist arbeiten und macht sich schnell einen Namen als künstlerischer und politischer Intellektueller. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seinen Gedichten (Deutschland. Ein Wintermärchen; Die Loreley), Reiseberichten (Reisebilder, 4 Bände) und Bühnenstücken (Der Doktor Faust; Almansor) auch polemische Streitschriften, journalistische Kritiken sowie (literatur-)geschichtliche Abhandlungen (Der Salon; Die romantische Schule).


Empfehlungen


Kultureller Mittler zwischen Deutschland und Frankreich

Als Freigeist setzte sich Heine für demokratische Freiheitsrechte ein. In Frankreich fand er politische Verhältnisse vor, die es ihm ermöglichten, seine politischen Schriften zu publizieren. Denn auf dem Gebiet des Deutschen Bundes wurden Heines Werke verboten. Nur zweimal reiste er aus seinem Exil noch nach Deutschland, um seine geliebte Mutter zu besuchen. In Paris wurde Heine zum kulturellen Mittler zwischen Deutschland und Frankreich. Angezogen von den revolutionären ›Vormärz‹-Ideen lehnte er die nationalistischen Züge der Revolution von 1848 ab. An seinem Lebensende war er zunehmend enttäuscht von der politischen Entwicklung in Frankreich.

Ein neuer Stil der Reiseliteratur

Als Jurastudent unternahm Heine im Herbst 1824 eine Fußwanderung durch den Harz. Seine Erlebnisse schilderte er in locker-feuilletonistisch geschriebener Prosa mit eingestreuten Gedichten in seinem Reisebericht Harzreise. Dieser erschien 1826 als erster von vier Bänden der Reisebilder (die anderen Bände berichten von der Nordseeküste, England und Italien) und war ein großer Erfolg. Heine etablierte mit seiner Reiseliteratur einen neuen impressionistischen Prosastil, der sich durch einen spielerischen und teils humorvollen Plauderton auszeichnet. Romantisch-schwärmerische Natur- und Landschaftsbeschreibungen stehen neben Eindrücken aus dem Alltagsleben, satirische Schilderungen des Kleinbürgertums neben Anspielungen auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse, was später auch die Zensur auf den Plan rief. Heines Harzreise ist nach 200 Jahren weiterhin lebendig und voller Poesie; sie gehört bis heute zu den Klassikern der modernen Reiseliteratur.


Werke (Auswahl)


Lyrisches Werk

Heines Gedichte waren schon zu seinen Lebzeiten berühmt. Obwohl er ein ›verspäteter‹ Romantiker war, ebnete seine Lyrik den Weg in die Moderne. In seinen romantischen Ton mischten sich Selbstironie, satirischer Spott und später auch politische Themen, die er geschickt in seine Verse einbaute. Sein erster Gedichtband Buch der Lieder (1827), in dem er seine bis dahin entstandenen Gedichte versammelte, erlebte bereits zu Lebzeiten mehrere Auflagen und wurde später zu einem der meistgedruckten Gedichtbände deutscher Sprache. Die Gedichte zeichnen sich durch eine einfache, aber ausdrucksstarke Sprache aus. Heines zweite bedeutende lyrische Sammlung, Neue Gedichte (1844), war eher politischer Natur. Vor allem in dem Zyklus Zeitgedichte mit dem bekannten Gedicht Nachtgedanken rief er zu revolutionären Aktionen auf oder verspottete das »alte Deutschland«. In seinem Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) kritisierte Heine ebenfalls die politischen Verhältnisse in Deutschland.

Nachleben zwischen Affirmation und Ablehnung

Schon Heines Zeitgenoss:innen schwankten zwischen Verehrung für den vermeintlich romantischen Lyriker und der Ablehnung des politischen Publizisten. Heine wurde in Deutschland angefeindet wegen seiner Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen seiner Zeit und vor allem wegen seines ambivalenten Verhältnisses zu seinem Heimatland. So blieb Heine fast ein Jahrhundert ein unbequemer Ruhestörer und Nestbeschmutzer. Noch im 20. Jahrhundert war er den Konservativen ein Ärgernis, während die Linken ihn als Kampfgefährten entdeckten. Die Nationalsozialisten verbrannten seine Bücher und versuchten den Dichter aus dem kulturellen Gedächtnis der Deutschen auszulöschen. In der DDR wurde Heine dann als Nationaldichter vereinnahmt, während er in der Bundesrepublik erst mit den Achtundsechzigern wieder populär wurde. Dennoch dauerte es bis 1988, ehe die Universität Düsseldorf nach vielen Kontroversen den Namen des großen Sohnes der Stadt erhielt. Heute ist Heinrich Heine einer der bekanntesten deutschen Autoren weltweit.