Eugen Gomringer, »Gründergestalt der Nachkriegsmoderne«

»Er ist der Letzte von den großen Gründergestalten unserer Nachkriegsmoderne«, so würdigte ihn Peter von Matt anlässlich seines 90. Geburtstags 2015. Tatsächlich setzte Eugen Gomringer einen markanten Akzent gegen den ideologischen Missbrauch der Sprache und das falsche Pathos der Rede bis 1945: Die »Konkrete Poesie«, die er mitbegründete und deren Name auf ihn zurückgeht, brachte in den 1950er Jahren einen neuen Ton in die Lyrik, sachlich-nüchtern, konzentriert, minimalistisch, zugleich Grenzen öffnend zur Bildenden Kunst, zu Design, zur Alltags- und Werbesprache – und international ausgerichtet.


Ein Jahrhundertleben zwischen Poesie und Design

Eugen Gomringer wurde am 20. Januar 1925 in Cachuela Esperanza (Bolivien) geboren, wuchs in die Schweiz auf und studierte 1944–52 Wirtschaftswissenschaften und Kunstgeschichte in Bern und Rom. 1953 veröffentlichte er den Band konstellationen constellations constelaciones, oft als Gründungsurkunde der Konkreten Poesie betrachtet. 1954–57 war er Assistent des Architekten und Designers Max Bill an der Hochschule für Gestaltung in Ulm (1954–1957) und entwickelte in Anlehnung an die »Konkrete Kunst« die Bezeichnung »Konkrete Poesie«. Stets als Lyriker aktiv, war er unter anderem 1962–67 Geschäftsführer des Schweizerischen Werkbundes, 1967–85 Leiter des Kulturbeirats der Rosenthal AG in Selb, 1977–90 Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. 2000 gründete er das Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie (IKKP) in Rehau.
Er war verheiratet mit der Germanistin Nortrud Gomringer (1941–2020). Die Tochter Nora ist renommierte Lyrikerin, Romanautorin und Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises. Gomringer starb am 21. August 2025 in Bamberg im Alter von 100 Jahren.


konkrete poesie – ein Klassiker, der bleibt

1972 gab Eugen Gomringer die Anthologie konkrete poesie bei Reclam heraus, in der die wichtigsten Vertreter (tatsächlich waren es nur Männer) dieser avantgardistischen Lyrikform versammelt waren. Nach knapp 20 Jahren schien es damals, »dass die konkrete poesie in die zeit der retrospektive gekommen« war. Ein Irrtum, wie sich zeigen sollte. 2018, über 50 Jahre später – die Anthologie war inzwischen selbst zum Klassiker geworden, viele Gedichte in den Schulkanon gewandert –, erweiterte Gomringer sie um junge Autoren und Autorinnen (nun nahmen auch Frauen ihren Platz ein). So wurde deutlich, wie experimentierfreudig und kreativ sich das Spiel mit dem »gesicht der wörter« (Gomringer) weiterentwickelt hatte. Ein Ende ist nicht abzusehen.


Empfehlungen