Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) war vielseitig begabt: erfolgreicher Jurist, zeitweise auch Kapellmeister – und zugleich produktiv als Schriftsteller, Komponist und Zeichner. Zunächst trat Hoffmann, der Familientradition folgend, in preußische Staatsdienste ein. Berlin, Posen, Płock und Warschau waren die Stationen, bis Napoleon die preußische Verwaltung auflöste. Hoffmann nahm 1808 die Stelle des Kapellmeisters in Bamberg an. 1814 kehrte er nach Berlin zurück, wo er eine Anstellung am Kammergericht fand. Kontakt hatte er mit Tieck, Chamisso, Eichendorff oder Humboldt. Als Autor von Erzählungen, in denen sich Unheimliches, Phantastisches und Reales verbanden, entwickelte er eine rege literarische Tätigkeit. Als er am 25. Juni 1822 in Berlin starb, hinterließ er über 50 Romane und Erzählungen, ein Dutzend Theaterstücke sowie knapp 20 Instrumental- und Gesangswerke.
Schriftsteller zwischen Revolution und Restauration
Hoffmann lebte in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Seine produktivste Zeit als Komponist und Schriftsteller fiel in die ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts: die Napoleonischen Kriege mit all ihren Erschütterungen, gefolgt von den Jahren der politischen Restauration nach 1815. Mit seinen satirischen Kunstmärchen übte Hoffmann Kritik an der restaurativen Entwicklung. Als Jurist wurde er 1819 ausgerechnet in die »Immediat-Untersuchungskommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe« berufen. Doch mehrmals votierte er für die Freilassung von Inhaftierten. Das trug ihm selbst den Ruf des heimlichen »Demagogen« ein.
Illustrator eigener Werke und Karikaturist
Hoffmann war der erste Illustrator der eigenen Werke. Bereits in Posen fertigte er bissige Karikaturen seiner Beamten-Kollegen an, mit denen er ihre Kleinbürgerlichkeit attackierte. Die kleinen Werke hatten 1802 eine Strafversetzung in das abgelegene Płock zur Folge, taten aber seiner Zeichenleidenschaft keinen Abbruch. Später umfasste sein Repertoire Wandmalereien, Bühnendekorationen, Gemälde, Illustrationen und anderes. Wie in seinen literarischen Werken vermischten sich auch hier Reales und Phantastisches.
»Schwarze Romantik«: Das literarische Werk Hoffmanns
Mit seinen grotesk-bizarren und teilweise mystischen Erzählungen und Kunstmärchen trug Hoffmann wesentlich zur Entwicklung der literarischen Romantik bei. Als Vertreter der »Schauerromantik« behandelte er das Phantastische oder Dämonische in der Alltagswelt. Unklar bleibt dabei oft, ob das Unheimliche nicht vielleicht doch real sein könnte. Mit den Fantasiestücken in Callot’s Manier (1814/15) erzielte er erste Erfolge. Darin enthalten: Der goldne Topf, in dem der Student Anselmus zwischen der wirklichen Welt Dresdens und einer magischen Welt steht. Im Sandmann aus den Nachtstücken (1817) ist das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine das zentrale Thema, während in Die Elixiere des Teufels (1815/16) der Mönch Menardus von einem dunklen Doppelgänger verfolgt wird. Mit dem Fräulein von Scuderi (aus den Serapionsbrüdern, 1819–21), der ersten deutschen Kriminalnovelle, beschrieb Hoffmann eine Mordserie im Paris des 17. Jahrhunderts, und in dem satirischen Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr (1820/22) überschneiden sich die Memoiren des Kapellmeisters Kreisler mit den Betrachtungen eines schriftstellernden Katers. Andere Werke wie Klein Zaches genannt Zinnober (1819) zeichnen sich durch einen subtilen Humor aus.
Hoffmanns musikalisches Talent
In Hoffmanns Leben spielte die Musik eine wichtige Rolle. Er sah sich selbst in erster Linie als Komponist, erst später als Schriftsteller. Die Liebe zur Musik äußerte sich bereits in der Änderung seines dritten Vornamens Wilhelm in Amadeus, die seine Verehrung für Mozart ausdrücken sollte. Seine musikalischen Betätigungen waren sehr vielfältig – vom Gesangsunterricht bis zur Dirigententätigkeit, von Kompositionen bis zum Verfassen musiktheoretischer Schriften. Erste Kompositionen waren bereits während seiner Beamtenzeit in Warschau entstanden. 1808 wurde er Musikdirektor am Bamberger Theater, danach Musikdirektor und Kapellmeister in Dresden und Leipzig. Der Höhepunkt seiner Arbeiten für die Musikbühne war die romantische Zauberoper Undine (1816), die mit dem Libretto von Friedrich de la Fouqué und mit Bühnenbildern von Karl Friedrich Schinkel 1816 in Berlin mit Erfolg uraufgeführt wurde.
Wirkung und Einfluss auf spätere Autoren
Der kunstbesessene Hoffmann war seiner Zeit voraus. Mit dem Unterbewusstsein und psychologischen Beobachtungen zu Wahnvorstellungen oder Dissoziation hatte er völlig neue Aspekte in die deutsche Literatur eingebracht. Doch nach seinem Tode geriet er in Deutschland in Vergessenheit; das Werk des »Gespenster-Hoffmann« wurde als Trivialliteratur abgetan. In Frankreich, Russland und Amerika wurde Hoffmann im 19. Jahrhundert jedoch zu einem Klassiker; Baudelaire, Balzac, Puschkin, Dostojewski und Poe schätzten seine Werke. Die deutsche Literaturwissenschaft hat sich mit Hoffmann bis ins 20. Jahrhundert schwergetan. Erst mit dem Expressionismus und der Psychoanalyse Sigmund Freuds kam die Wiederbeschäftigung mit Hoffmann in Gang. Heute ist das Multitalent Hoffmann lebendiger denn je. Er gilt als Meister des Unheimlichen in der Literatur und als Begründer des modernen Fantasy-Genres.