Friedrich Schiller (1759–1805) ist einer der wichtigsten deutschen Dichter und steht mit Goethe im Zentrum der Weimarer Klassik. Seine populären Theaterstücke wie Wilhelm Tell, Die Räuber und Maria Stuart werden noch immer regelmäßig auf dem Theater inszeniert und gehören, neben seinen Balladen wie Der Handschuh oder Die Bürgschaft, auch heute zur Schullektüre. Das hat dazu geführt, dass wir Schiller oft unbewusst zitieren: in geflügelten Worten, die längst zum allgemeinen Sprachschatz gehören. Sogar der Text der Europahymne stammt von ihm: »Freude, schöner Götterfunken«!
Was macht Schiller eigentlich so attraktiv?
Wie viele Autoren seiner Zeit wählt er gerne historische Stoffe, und er hat dabei eine Vorliebe für Freiheitskämpfer und Rebellen. Ungerechtigkeit erträgt er schwer, und vielleicht ist es diese unbedingte Freiheitsliebe, die den schwäbischen Dichter so sympathisch macht. Was aber viele nicht wissen: Er war auch in anderer Hinsicht ein Idealist. Der Weg zu Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit führt für ihn nicht über blutige Revolutionen, sondern über die Kunst und die ästhetische Erziehung.
Über die Ästhetik zur Ethik: Die Kunst soll den Menschen zur Freiheit erziehen
Prägend für Schillers Werk ist seine Auseinandersetzung mit der Philosophie von Kant, besonders dessen Ästhetik. In verschiedenen theoretischen Schriften vertritt Schiller die Auffassung, dass die Schönheit die sinnliche Erscheinung der Wahrheit sei und daher die Kunst zu Wahrheit und Ethik erziehen könne. Sein Ideal ist die »schöne Seele«, in der Pflicht und Neigung zusammenfallen und die daher auf natürliche Weise ethisch handelt. Vor dem Hintergrund der Französischen Revolution, die in eine brutale Schreckensherrschaft mündete, formuliert Schiller die Theorie einer politischen Erziehung des Menschen zur Freiheit und zur Ethik. Doch wie stellt Schiller sich das vor? Der Weg dahin führt seiner Meinung nach über die Erfahrung des Schönen in der Kunst hin zum Wahren und Richtigen und damit zu Philosophie und Politik.
Ein Militärarzt als Dichter
Nachdem Schiller erst Jura und dann Medizin studiert hatte, wurde er zunächst Militärarzt der Herzoglich Württembergischen Armee, hielt es dort aber nicht lange aus.
1781 wurde er vom damals im Gefängnis auf dem Hohenasperg sitzendenden Schubart auf den abenteuerlichen Stoff der Räuber aufmerksam gemacht und veröffentlichte, davon inspiriert, wenig später anonym sein erstes Theaterstück, Die Räuber. Um bei Aufführungen in Mannheim anwesend zu sein, entfernte er sich zweimal ohne Erlaubnis aus der Karlsschule, wo er als Militärarzt arbeitete. Das blieb natürlich nicht ungestraft, und Schiller büßte den heimlichen Ausflug mit zwei Wochen Arrest. Doch damit war es nicht genug, der Rebell Schiller war ein Dorn im Auge: Nachdem ihm vorgeworfen wurde, in den Räubern die Schweiz zu verunglimpfen (»Athen der heutigen Gauner«), drohte man ihm Festungshaft an und verbot ihm die Schriftstellerei ganz.
Fahnenflucht für die Literatur
Das konnte der freiheitsliebende Schiller, dessen Herz nicht für die Medizin, sondern für die Literatur schlug, nicht akzeptieren: Er nutzte den Lärm und die Feierstimmung während eines Feuerwerks und floh in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Stuttgart nach Mannheim. Die Odyssee des als fahnenflüchtig geltenden Dichters führte ihn quer durch Deutschland und in prekäre finanzielle Verhältnisse, bis er 1789 endlich einen Lehrstuhl für Geschichte in Jena erhielt. Mittlerweile hatte sich Schiller mit weiteren Dramen wie Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, Don Karlos, Kabale und Liebe sowie Wallensteins Lager und seiner vielleicht berühmtesten Novelle, Der Verbrecher aus verlorener Ehre, einen derartigen Namen gemacht, dass seine Antrittsvorlesung überfüllt war und das Publikum in einen Nebensaal ausweichen musste. Dadurch wurden seine Einkünfte und auch sein Leben gesicherter und er konnte endlich um die Hand der geliebten Charlotte von Lengefeld anhalten, die er kurz darauf heiratete.
Die Freundschaft mit Goethe: Eine Beziehung mit Aufs und Abs
Von Jena aus reiste Schiller nach Weimar und lernte dort Herder und Wieland und nach dessen Rückkehr aus Italien auch Goethe kennen. Zuerst waren sich die beiden nicht besonders sympathisch: Goethe ist Schillers Stück Die Räuber »verhasst« und er bekennt: »ich vermied Schillern, der, sich in Weimar aufhaltend, in meiner Nachbarschaft wohnte«. Schiller wiederum urteilt über Goethe auch nicht unbedingt enthusiastisch: »Öfters um Goethe zu sein würde mich unglücklich machen. Ich glaube in der Tat, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade. Ein solches Wesen sollten die Menschen nicht um sich heraufkommen lassen. Mir ist er dadurch verhasst, ob ich gleich seinen Geist von ganzem Herzen liebe und groß von ihm denke.« Am Ende haben die beiden aber dennoch zusammengefunden: 1794 kam es zu einem weiteren Treffen, das den Beginn der Zusammenarbeit der beiden darstellte. Zum Glück: Denn ihre Beziehung sollte zu einer der
fruchtbarsten und bedeutendsten Dichter-Freundschaften der deutschen Literatur werden. Wenngleich der zehn Jahre ältere Goethe als »Olympier« galt, an dem sich keiner gerne messen wollte, war die künstlerische Symbiose der beiden wohl einzigartig in der Literaturgeschichte. Allerdings hatten die beiden auch weiterhin nicht in allem gleiche Ansichten: Schiller hielt die »wilde Ehe« von Goethe mit Christiane Vulpius für moralisch fragwürdig und befand, Goethe habe die »falschen Begriffe über das häusliche Glück«, während Goethe Schillers Liebe zu Tabak und Kartenspiel missfiel – nicht zufällig geht die Anekdote, dass Schiller nur beim Geruch fauliger Äpfel arbeiten könne, auf Goethe zurück. Trotz der Diskrepanzen waren sich die beiden allerdings so verbunden, dass Goethe nach Schillers frühem Tod einem Freund fassungslos schreibt, er habe »die Hälfte [s]eines Daseins« verloren.
Nach meiner innigsten Überzeugung kommt kein anderer Dichter ihm an Tiefe der Empfindung und an Zartheit derselben, an Natur und Wahrheit und zugleich an hohem Kunstverdienste auch nur von weitem bei. Die Natur hat ihn reicher ausgestattet als irgendeinen, der nach Shakespeare aufgestanden ist.
Schiller über Goethe, an Charlotte von Schimmelmann, 23. November 1800
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – Schiller teilt die Ideale der Französischen Revolution
Neben den poetischen Arbeiten sind von besonderer Bedeutung in Schillers Werk seine Abhandlungen zu Ethik und Ästhetik. In diesen zeigt sich deutlich Schillers Beschäftigung mit Kants Ästhetik und dessen Diktum vom »interesselosen Wohlgefallen« an der Kunst. Die Kunst wird bei Schiller zu einem wichtigen Moment in der ethisch-politischen Erziehung des Menschen. Anfangs hatte er wie auch Goethe und andere deutsche Intellektuelle die Französische Revolution begeistert verfolgt, da es schien, als würden tatsächlich die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit umgesetzt. Die Begeisterung beruhte auf Gegenseitigkeit: Gemeinsam mit anderen Schriftstellern wurde Schiller 1792 zum Ehrenbürger der Französischen Republik ernannt. Jedoch erkannte Schiller früh, dass die Revolution einen blutigen Ausgang nehmen würde, und distanzierte sich entsetzt.
Die Kunst als Ausweg aus dem Dilemma: Schiller setzt auf die sanfte Revolution durch Schönheit
Schiller sieht den Grund für den blutigen Ausgang der Französischen Revolution darin, dass die Menschen noch nicht reif für die Freiheit seien. Als Vorbereitung für die politische Freiheit sollen sie, so Schiller, die Freiheit in der Kunst kennenlernen. Die Kunst wird so zur Vermittlerin zwischen Natur und Politik bzw. Philosophie und als frei von verborgenen Interessen, geheimen Absichten und Hintergedanken zu einem Bereich, in dem spielerisch die
Freiheit erlernt werden kann. Seine kunsttheoretischen Schriften, etwa Über die ästhetische Erziehung des Menschen, stellen wichtige Werke der ästhetischen Theorie um 1800 dar.
Früher Tod und langes Nachleben
Schiller, der schon jung erste gesundheitliche Probleme hatte – vermutlich durch eine Malariainfektion, die er sich im Rheintal zugezogen hatte – erkrankte ab 1804 immer häufiger. Nach einem Jahr, das von Krankheit geprägt war, starb schließlich 1805 mit nur 45 Jahren an einer durch Tuberkulose ausgelösten Lungenentzündung in Weimar.
Doch sein Kampf gegen Tyrannei und für Freiheit und Menschlichkeit zeigt auch hundert Jahre nach seinem Tod Wirkung: Wollten die Nationalsozialisten Schiller anfangs noch als deutschen Dichter für sich vereinnahmen, wurde ihnen schon bald die Gefahr, die von seinen rebellischen Dramen ausging, bewusst. Deshalb wurden die Schulen schon früh angewiesen, seine Dramen nicht mehr im Schulunterricht behandeln. Doch was Schiller sicher noch mehr gefreut hätte: Ihre Bühnenwirksamkeit hielt Hitler für so bedrohlich, dass er im Jahr 1941 die Aufführung des Tyrannenmörders und Freiheitskämpfers Wilhelm Tell endgültig verbieten ließ. Auch Don Karlos wurde nicht mehr aufgeführt. Schillers Kampf für die Freiheit wirkte in seinen Theaterstücken auch über hundert Jahre nach seinem Tod noch nach.
Vom Theaterstück zum geflügelten Wort: Schiller in aller Munde
- »Die Axt im Haus ersetzt den Zimmermann.« (aus Wilhelm Tell)
- »Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.« (aus Wilhelm Tell)
- »Der kluge Mann baut vor.« (aus Wilhelm Tell)
- »Früh über sich, was ein Meister werden will.« (aus Wilhelm Tell)
- »Ich kenne meine Pappenheimer.« (aus Wallensteins Tod)
- »Dem Mann kann geholfen werden.« (aus Die Räuber)
- »Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.« (aus Die Verschwörung des Fiesco zu Genua)
- »Donner und Doria!« (aus Die Verschwörung des Fiesco zu Genua)
- »Mit Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.« (aus Die Jungfrau von Orleans)
- »Geben Sie Gedankenfreiheit.« (aus Don Karlos)
- »Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.« (aus Wallensteins Lager)
- »Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.« (aus Die Piccolomini)
- »Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!« (aus Die Piccolomini)
... und das sind längst nicht alle!