Lucius Annaeus Seneca wurde um Christi Geburt in Corduba (Spanien) geboren, wuchs aber in Rom auf. Sein Vater, Seneca der Ältere, betrieb dort eine Rhetorenschule. ›Unser‹ Seneca, der Jüngere, ist der Nachwelt als großer Philosoph, Stoiker und Erzieher Kaiser Neros in Erinnerung geblieben. Sein Leben kann man durchaus als bewegt bezeichnen: Seneca hat es an die Spitze der Politik geschafft, aber auch beispiellose Karrieretiefs erlebt. Das letzte bezahlte er im Jahr 65 n. Chr. mit dem Leben.
Diese Hochs und Tiefs spiegeln sich in den Themen seiner Werke: Was macht ein glückliches und erfülltes Leben aus? Wie mit Gefühlen umgehen? Wie mit dem Tod? Seneca muss es wissen, könnte man rückblickend sagen. Diese Themen sind zeitlos – das ist der Grund, weshalb seine Texte uns noch heute inspirieren, 2000 Jahre später.
Philosophie und Theater
Vor allem Senecas zwölf Dialoge sowie seine Briefe an Lucilius rütteln auf. Seine philosophischen Überlegungen knüpft der Autor oft an ganz alltägliche Situationen, so dass die vermeintlich schwere Kost ganz gut verdaulich daherkommt. Die Bilder sind eingängig, die Transferleistung der antiken Themen ins eigene Leben ist für Leserinnen und Leser dadurch leicht zu erbringen. Daneben schrieb Seneca einzelne Werke zu ethischen Themen sowie zu naturphilosophischen Fragen und Tragödien.
Außerdem schrieb er Tragödien – darunter eine Medea – und die Apocolocyntosis (Verkürbissung), eine Satire über den Tod und die Vergöttlichung (Apotheose) des Kaisers Claudius.
Ein glückliches Leben besteht in der Übereinstimmung mit dem eigenen Wesen. Dies kann auf keine andere Weise gelingen, als wenn erstens ein gesunder Geist vorhanden ist und dieser fortdauernd im Besitz seiner Gesundheit ist.
Seneca, De vita beata 3,3, übersetzt von Peter Günzel
Ein Berufsleben mit unerwarteten Wendungen
Die traditionelle römische Ämterlaufbahn trat auch Seneca an, aber seine Karriereschritte kamen dann doch etwas plötzlich und unkonventionell. Als Claudius im Jahr 41 Kaiser wurde, musste Seneca erst einmal seinen Hut nehmen und nach Korsika in die Verbannung gehen – wegen angeblichen Ehebruchs mit der Schwester von Claudiusʼ Vorgänger. Aber Qualität setzt sich eben durch, und so wurde der Gelehrte nach acht Jahren zurückgerufen und zum Lehrer von Claudiusʼ Stiefsohn Nero ernannt. Ein Pilzgericht tat, was es sollte: Claudius starb, Nero wurde im Jahr 54 Kaiser und Seneca fand sich plötzlich erneut in einer etwas anderen Rolle wieder: Zusammen mit dem Prätorianerpräfekten Burrus managte er die Regierungsgeschäfte des noch zu jungen Herrschers. Kaiser Trajan soll diese Jahre rund ein halbes Jahrhundert später als die glücklisten des Römischen Reiches bezeichnet haben.
Doch das Ende kam jäh
Neros Herrschaft wurde zunehmend autokratischer – und vor allem: unberechenbar. Schließlich ersuchte Seneca ihn um Entlassung und wollte sich ins Private zurückziehen. Aber Nero bezichtigte ihn der Beteiligung an der sogenannten Pisonischen Verschwörung, einem Mordkomplott gegen den Kaiser, und zwang ihn im Jahr 65 zum Selbstmord.