Jane Austen, die Liebe und der englische Landadel

Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil, Mansfield Park, Emma, Kloster Northanger und Überredung – die Romane der englischen Autorin Jane Austen (1775–1817) sind nicht mehr aus dem Kanon der Literaturklassiker wegzudenken. Figuren wie Anne Elliot, Emma Woodhouse oder Mr. Darcy erobern seit mehr als 200 Jahren die Herzen des Publikums. Sie lieben und missverstehen, streiten und versöhnen sich, und am Ende sind (fast) alle verlobt oder verheiratet. Das könnte banal daherkommen, ist es aber dank des herausragenden Erzähltalents der Schriftstellerin nicht.


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Begrenzt und doch weit – die Welt der Jane Austen

Jane Austens Welt ist schnell skizziert, zumindest auf den ersten Blick. Sie führte ein zurückgezogenes Leben in Südengland und bewegte sich im englischen Landadel. Dieser gesellschaftliche Stand war ihr dank reicher Verwandter zugänglich, doch wirklich dazu gehörte sie als Pfarrerstochter nicht. Das zeigte sich spätestens, als die große Liebe an gesellschaftlichen Konventionen scheiterte. Infolgedessen blieb sie unverheiratet und im Schoß ihrer Familie. Ihre Welt war begrenzt, Reisen führten sie nicht über London, Bristol oder Bath hinaus. Dennoch hat Jane Austen Romane von so beachtlicher Qualität geschrieben, dass sie zu den berühmtesten Autorinnen auf dem internationalen Parkett zählte und jede Generation aufs Neue begeistert.

Liebevolle Satire – die Romane von Jane Austen

Neben ihren Jugendwerken hinterließ Jane Austen sechs Romane, die ihren Ruhm begründeten. Mit feiner Ironie, unbestechlich kritischem Blick und Liebe zum Detail schildert sie darin die Gesellschaft, die ihr bestens bekannt war: den englischen Landadel. Die Romane Jane Austens sind aber nicht nur Gesellschaftssatiren, das Augenmerk liegt zugleich auf der inneren Entwicklung der Figuren, insbesondere der weiblichen Hauptfiguren. Deren Heirat und damit die Eingliederung in die Gesellschaft markieren das jeweilige Ende der Romane.


Jane Austen Originals


Pfarrerstochter in Südengland

Jane Austen kam am 16. Dezember 1775 als zweite Tochter des Geistlichen William George Austen und dessen Frau Cassandra, geborene Leigh, im ländlichen Steventon, Grafschaft Hampton, zur Welt. Während der Vater aus bürgerlichen Kreisen stammte, gehörte die Mutter einer sehr vermögenden Familie aus dem Landadel an. Obwohl nicht gerade mit materiellen Gütern gesegnet, konnten die Austens dank ihrer Kultiviertheit und familiärer Beziehungen am Leben dieser Gesellschaftsschicht teilhaben.

Mädchenbildung um 1800

Die Ausbildung der Austen-Kinder orientierte sich an den Maßstäben, die im englischen Landadel üblich waren. Während fast alle Söhne für eine höhere Laufbahn vorbereitet wurden, kamen Jane und ihre Schwester Cassandra für kurze Zeit in ein Mädchenpensionat. Dort erlernten sie das Grundwissen, das für Töchter aus gutem Haus als nötig erachtet wurde, damit sie später ihre Ehemänner und Familien standesgemäß versorgen konnten.

Und doch war etwas anders: Als sie nach dem Pensionat zurück in Steventon war, hatte Jane Austen viel Zeit für selbstbestimmte Lektüre von Werken aus der reichhaltigen Bibliothek des Vaters. So lässt sich aus Notizen schließen, dass sie unter anderem zahlreiche der berühmten englischen Romane des 18. Jahrhunderts gelesen hat.


Jane Austen und die Liebe

Jane Austen hatte mit Verstand und Gefühl gerade ihren ersten großen Roman vollendet, als sie Ende 1795 Thomas Langlois Lefroy kennen- und lieben lernte. Dessen vermögende Familie stand der sich anbahnenden Verbindung mit der weder standesgemäßen noch reichen Tochter des benachbarten Geistlichen ablehnend gegenüber. Jane Austen und Tom Lefroy, der es später zum obersten Richter von Irland bringen sollte, fügten sich.

Ihre Liebe war gescheitert und eine Versorgungsehe wollte Jane Austen nicht eingehen, deshalb entschied sie sich, unverheiratet zu bleiben. Bis zum Lebensende wohnte sie zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen Schwester Cassandra bei ihren Eltern bzw. ihrer später verwitweten Mutter. Nach der Pensionierung des Vaters lebten sie einige Jahre im mondänen Bath. Kurz nach dem Tod von William George Austen übersiedelte seine Witwe mit den beiden Töchtern in die Hafenstadt Southampton und drei Jahre später zurück nach Hampshire.

Schreiben – eine Frage des Wohnens

Schon früh hatte Jane Austen zur Feder gegriffen: Zwischen Handarbeiten und Lektürestunden, Teegesellschaften und Dinnern, Tanzabenden und Landpartien hatte sie von 1787 bis 1793 in Steventon 29 Jugendwerke verfasst. Die Possen, Grotesken, Burlesken, Satiren und Prosastücke hatten in erster Linie der Unterhaltung der Familie gedient.

Auch Verstand und Gefühl, Stolz und Vorurteil, Kloster Northanger und Lady Susan waren der Autorin an ihrem Geburtsort in die Feder geflossen. Die Watsons hatte sie in Bath begonnen, aber wieder abgebrochen, in Southampton war gar nichts entstanden. Mansfield Park, Emma, Überredung fielen in die Zeit ihres Aufenthalts in Chawton Cottage, Hampshire. Hier überarbeite sie bereits entstandene Romane, verfasste neue und veröffentlichte schließlich alle anonym.

Jane Austen schrieb ihre Romane da, wo sie spielen und wo sie sich am liebsten aufhielt: in der Abgeschiedenheit der vertrauten südenglischen Landschaft. Dass sie dort nicht einmal einen eigenen Raum hatte, in dem sie in aller Ruhe am Schreibtisch sitzen konnte, tat der Qualität ihrer Werke keinen Abbruch.


Wenn Jane Austen auf irgendeine Weise litt, dann unter der Enge der ihr auferlegten Lebensumstände. Es war einer Frau nicht möglich, ohne Begleitung auszugehen. Sie unternahm nie eine Reise, […]. Doch vielleicht lag es im Wesen Jane Austens, nicht zu begehren, was sie nicht besaß. Ihre Begabung und ihre Lebensumstände entsprachen einander völlig.

 

Virginia Woolf in Ein Zimmer für sich allein


Jane Austens England

Mit Ironie, Liebe zum Detail, psychologischem Feingefühl und in virtuosen Dialogen zeichnet Jane Austen in ihren Werken den Gentleman und die Lady. Sie entlarvt den Snob, den Hypochonder und die putz- und klatschsüchtige Gesellschaftsdame. Zugleich entführt sie ihre Leserinnen und Leser in eine Welt sanfter Hügel mit Weiden, die sich im Wind wiegen, und Bächen, die sich durch saftige Wiesen schlängeln. Die Damen und Herren wärmen sich am Kaminfeuer und bei Tee in einem Cottage, nachdem sie in Kleidern aus fließender Seide und edlen Fräcken im Herrenhaus durch den Ballsaal wirbelten. Jane Austen hat in einfacher Erzählweise voller atmosphärischer Dichte einen Mikrokosmos geschaffen, der das Publikum von einem England träumen lässt, wie es englischer und schöner nicht sein könnte.

Die Leserinnen und Leser dankten es ihr, der Erfolg setzte schnell ein. Schon mit ihrem Debütroman Verstand und Gefühl verdiente die Autorin mehr als die arrivierten Schriftstellerkolleginnen. Jane Austen war auf dem besten Weg zu finanzieller Unabhängigkeit.

»Wenn ich heirate, würde ich es bestimmt hinterher bereuen. […] Keine Sorge, Harriet, ich bin dann ja keine arme alte Jungfer, und nur Armut fordert die großzügige Öffentlichkeit dazu heraus, ledige Frauen von oben herab zu behandeln. Eine alleinstehende Frau mit kümmerlichem Einkommen ist immer eine lächerliche, unausstehliche alte Jungfer, die Zielscheibe von Jungen und Mädchen. Aber eine alleinstehende Frau mit Vermögen ist immer angesehen und kann so vernünftig und liebenswürdig sein wie jede andere!«

Die Titelheldin des Romans Emma über Ehe und Geld


Erfolg und früher Tod

Auch wenn Jane Austen ihren Namen nicht unter ihre Werke setzte, wurde dieser hinter vorgehaltener Hand gehandelt. Hielt sie sich in London auf, war sie bei gesellschaftlichen Anlässen nicht mehr Mauerblümchen wie in Bath, sondern gesuchter Gast. Sie genoss ihr eigenständiges Leben, doch mitten in diesem Hochgefühl zeigten sich Ende 1815 erste Anzeichen einer schweren Krankheit. Zwar schrieb sie noch Überredung und begann den Roman Sanditon, doch schnell wurde sie immer hinfälliger.

Am 18. Juli 1817 starb Jane Austen, erst 41 Jahre alt, im Haus ihres Arztes in Winchester. Heute nimmt man an, dass sie an einem Versagen der Nebennieren litt. Am 24. Juli wurde sie in der Kathedrale von Winchester beigesetzt. Auf ihrem Epitaph – verfasst von ihrem Bruder James – ist zu lesen, dass sie die Tochter von Reverend George Austen aus Steventon war. Ein Hinweis auf die Autorschaft der Erfolgsschriftstellerin ist darauf nicht zu finden.


Werke auf einem Blick